Letare Germania

ELISABETH VON THÜRINGEN
Musik für eine europäische Heilige des 13. Jahrhunderts

 

Die Verehrung der heiligen Elisabeth gehörte zu den lebendigsten Heiligenkulturen des Mittelalters. In ihr vereinigte sich das Ideal königlich-fürstlicher Heiligkeit mit den Ideen der Bettlerorden und dem Heiligkeitsideal der Beginenbewegung des 13. Jahrhunderts und bereits 1235 erfolgte ihre Heiligsprechung – nur vier Jahre nach ihrem Tod. Sie steht in einer Reihe vornehmer Frauen, unter ihnen auch Klara von Assisi, die seit Beginn des 13. Jahrhunderts eine möglichst radikale Nachfolge Christi anstrebten.

 

Im Jahre 1207 wurde Elisabeth als Tochter des ungarischen Königs geboren. Um ein europäisches Bündnis zu besiegeln, sollte die kleine Elisabeth mit einem Sohn des Thüringer Landgrafen vermählt werden. 1211 reiste die erst drei- oder vierjährige Elisabeth von Ungarn nach Thüringen und wuchs dort am Landgrafenhof auf, wo sie 1221 den 21jährigen Landgrafen Ludwig IV. heiratete, der ein enger Vertrauter Kaiser Friederichs II. war. Es kam zu einer glücklichen Ehe, aus der schnell drei Kinder hervorgingen.

 

Um ihr Leben ranken sich viele Legenden. Die junge Landgräfin stand den neuen geistigen Strömungen ihrer Zeit sehr aufgeschlossen gegenüber. Sie eiferte dem Leben Christi in Armut, Demut, Nächstenliebe und Hingabe an die Ärmsten nach, ganz im Sinne der Anhänger Franziskus von Assi und den Idealen der Bettlerorden des 13. Jahrhunderts. Als 1225 die ersten Franziskaner nach Eisenach kamen, übte deren Ideal befreiender Besitzlosigkeit großen Einfluss auf Elisabeth aus. Sie kümmerte sich um Bedürftige, besuchte Armenviertel; dies wurde trotz der Unterstützung, die Elisabeth von ihrem Mann erhielt, von der Familie mehr als skeptisch betrachtet.

 

Elisabeth war die einzige Fürstin aus einem europäischen Königshaus, die diesen gewaltigen Schritt mit allen Konsequenzen wagte, was von der Hofgesellschaft als empörend empfunden wurde. Es wurde nur geduldet, weil sie ihre Pflichten als Landgräfin nicht vernachlässigte und ihr Mann, Ludwig IV., sie in ihrer Haltung und all ihren Handlungen unterstützte. Als er 1227 starb war sie schutzlos den Angriffen des Hofes ausgeliefert, den sie dann auch bald verlassen mußte. Mit ihrem Witwenvermögen errichtete sie daraufhin 1229 in Marburg ein Spital, benannte es nach Franziskus und arbeitete dort selbst als Pflegerin bis zu ihrem Tod. In der Nacht zum 17. November 1231 starb Elisabeth mit 24 Jahren völlig erschöpft und in Armut. Noch vor ihrem Begräbnis sollen sich Wunder ereignet haben und viele Menschen pilgerten später an ihr Grab nach Marburg.

 

Musikalische Zeugnisse ihrer großen Verehrung geben mehrere überlieferte Elisabeth-Offizien. In unserem Programm „Letare Germania“ stellen wir das frühesten von ihnen in Auszügen vor. Es entstand Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts und befindet sich in zwei Antiphonaren der Kölner Diözesan-Bibliothek.

 

Der Aufbau des Programms spürt dem Aufbau einer Vesper nach mit Antiphonen, Responsorien, dem Magnificat und Hymnen. An der Stelle der Lektion (Lesung) steht eine Ballade aus dem Wienhäuser Liederbuch (Mitte des 15. Jahrhunderts), einer Sammlung geistlicher Lieder aus dem Umfeld der devotio moderna.

 

In legendenhafter Verbrämung wird vom Tod Landgraf Ludwigs erzählt, der auf dem Weg zum fünften Kreuzzug im italienischen Otranto an einer Seuche erkrankte und 1227 in Brindisi starb. Die Ballade hingegen berichtet von einem »gar heidnischen Weib« auf der anderen Seite des Rheins, in den Händen eine Schale aus rotem Gold, aus welcher sich »Landgraf Ludwig den bitterlichen Tod« getrunken habe. So wie dieses Ereignis dem Reich der Legenden zuzuordnen ist, hält sich die ganze Ballade nicht an das wirkliche Leben und Wirken Elisabeths, sondern empfindet ihre Geschichte nach aus der Sicht der unbekannten Schöpfer des Wienhäuser Liederbuches.

 

Die Melodie gehört zu der bereits im 15. Jahrhundert erwähnten und mindestes bis ins 14. Jahrhundert zurückreichenden Ballade »Der Herr von Falkenstein«. Sie wurde aufgezeichnet in Een deuoot ende Profitelyk Boecxken, Antwerpen 1539, dort als geistliche Kontrafaktur mit der Angabe: »Dit is die wise van Ick sach mijn heere van valckensteyn«, ist aber älteren Stiles und könnte gegen Ende des 14. Jahrhunderts entstanden sein.


Die hl. Elisabeth als Patronin der Franziskanertertiaren

1397 gründete Angela von Marsciano in Foligno den Ordo Sanctæ Elisabethæ, die ”Elisabethaninnen”, die nach den Regeln der Franziskaner-Tertiaren, des Dritten Ordens des Heiligen Franziskus, lebten. Und in einer ungewöhnlichen spätmittelalterlichen Darstellung sehen wir die hl. Elisabeth in dieser Tracht als Patronin, die drei knieenden Tertiaren Unterweisungen erteilt.

 

Die Franziskaner-Tertiaren haben ihren Ursprung in Bruderschaften, die unter dem Eindruck des heiligen Franz von Assisi beschlossen, christliche Vollkommenheit gemäß dem Evangelium in der Welt zu leben.Diese Bruderschaften (Laudesi) zogen in feierlichen Prozessionen durch die Straßen und sangen Lieder zum Lob die Jungfrau Maria und anderer Heiliger. Die Lieder sind klingende Zeugnisse einer tiefen Volksfrömmigkeit und geben uns heute mit ihren Melodien und Texten in der Sprache des Volkes, einen Einblick in die innige Spiritualität und tiefe Emotionalität ihrer Zeit, in der auch die heilige Elisabeth von Thüringen lebte und wirkte.

 

Darum stellen wir im Zusammenhang mit dem Offizium auch einige italienische Laude, die dem heiligen Franziskus gewidmet sind.

 

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Besetzung:

Ars Choralis Coeln