Devotio Moderna

Die neue Frömmigkeit am Vorabend der Reformation

 

Musik aus dem Liederbuch der Anna von Köln, dem Wienhäuser Liederbuch, und der Berliner Hs. 190

 

Die devotio moderna (= neue Frömmigkeit) gilt als die bekannteste und wirksamste religiöse Reformbewegung des Spätmittelalters mit Nachwirkungen auf die Kirche. Als eigenständige Frömmigkeitsbewegung, die einen „dritten Weg“ zwischen weltlichem und klösterlichem Leben zu gehen versuchte, drückte sie nicht nur Kritik an bestehenden Verhältnissen aus, sondern sie war zugleich Ausdruck eines neuen Geistes, der dem Humanismus verwandt ist, und Wegbereiter weltlicher und kirchlicher Erneuerung im Übergang zur jüngeren Geschichte.

 

Die Kirche war zu einem weltlichen Unternehmen geworden, dem die Kraft zu einer innerkirchlichen Erneuerung abging. Die Bewegung der devotio moderna entsprach  dem Geist der Strömungen dieser Zeit, neue Wege durch Rückbesinnung auf die ganz alten Vorbilder gehen zu wollen. Und es war ein Versuch der Gläubigen zur Mündigkeit. Die Zeit war bereit für eine neue Volksfrömmigkeit. So fiel die devotio moderna auf fruchtbaren Boden. Als die Reformation sich wenig später Bahn brach, schlossen sich – nahe liegend – viele Brüder vom gemeinsamen Leben der neuen Bewegung an. Nur wenige (rheinische) Stätten der Bewegung hielten sich über die Jahrhunderte.

 

Den Ursprung der devotio moderna sieht man im Wirken von Geert Groote (1340-1384). Die Bewegung strahlte von den Niederlanden, aus und verbreitete sich über weite Gebiete Deutschlands, vor allem im Rheinland und im Elsass.

Geert Groote stammte aus gut situierten bürgerlichen Verhältnissen und verstand es offenbar, sein ihm zugedachtes Leben zu genießen, bis er frommen Männern begegnete, deren Einfluss seinen Alltag gründlich ändern sollte. Er stellte seine materiellen Güter einer neuen Idee, dem neuen Leben und Wirken zur Verfügung, das fast 50 Jahre später (und etwa 35 Jahre nach seinem Tod) devotio moderna genannt wurde. Sein Erfolg gründete auf der Kraft seines gesprochenen Wortes und vermutlich nicht zuletzt auf dem Erneuerungsbedarf seiner Zeit. Sein Denkmodell und seine Handlungsmaxime zielten auf ein Gott geweihtes Leben ohne Gelübde ohne klösterliche Bindung im herkömmlichen Sinne.

 

Neben Kontemplation und sozialem Engagemant spielte die Herstellung von Handschriften eine wichtige Rolle im neuen religiösen Gemeinschaftsleben. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Brüder und Schwestern vom Gemeinsamen Leben nicht nur als Schreiber, sondern auch als Lieddichter an der Produktion und Verbreitung literarischer Erzeugnisse dieser neuen Frömmigkeit Anteil hatten. Besonders deutlich wird dies an den Liederhandschriften des 15. Jahrhunderts, wo der Wunsch in der Muttersprache, also auf Niederländisch oder Deutsch zu singen, schriftlich festgehalten wurde. Auf diese Weise haben sich auf den neuen und oft aus dem Lateinischen übersetzten Texten viele weit ältere Melodien erhalten, die sonst verloren gegangen wären.

 

Zwischen der devotio moderna und Reformation bestanden wenig personelle aber viele inhaltliche Berührungen, so z.B. die Kritk an der Veräußerlichung spätmittelalterlicher Fömmigkeit und als Folge davon entstanden neue Formen von Laienfrömmigkeit. Beide haben sich gegenseitig beeinflußt. Der reformatorische Glaube stahl den Brüder des gemeinsamen Lebens seinen originellen Charakter und spaltete die Geister der Devoten. Die einen schlossen sich der Reformbewegung an, die anderen grenzten sich gegen sie ab. Ebenso wirkte die devotio moderna auf die Reformation als Konkurrenzfaktor, an dem sich die reformatorischen Geister spalteten: Luther übernahm Elemente devoter Frömmigkeit, während andere sie ablehnten.

 

Die praxis pietatis melica, d.h. die Übung der Gottseligkeit in Christlichen und trostreichen Gesängen, wie es Johann Crüger (1660) genannt hat, ist der Kernpunkt des Wechselverhältnisses zwischen devotio moderna und Reformation.

 

 

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Besetzung:

5-7 Sängerinnen

Fidel

Flöte